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Ein bedrohter Unterwasserriese ist bei Gans Baai ein besonders begehrtes Fotoobjekt: der Weiße Hai.

Ein bedrohter Unterwasserriese ist bei Gans Baai ein besonders begehrtes Fotoobjekt: der Weiße Hai.

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Südafrika Abenteuer-Tauchgang in der Hai-Allee

Beim Käfigtauchen kommt man den Vertretern der weltgrößten Population ganz nah – ein ebenso aufregendes wie umstrittenes Abenteuer.

»Wer in den Neoprenanzug pinkelt, wäscht ihn danach feinsäuberlich! Wer komplett in die Hosen macht, hat das gute Stück zeitgleich käuflich erworben!« Mit diesen markigen Sprüchen steigern die Tauchguides bereits beim Briefing die Spannung. »Und wenn wir einen sehen, der mit dem Arm aus dem Käfig greift, ob mit oder ohne Selfie-Stick, holen wir den Käfig sofort aus dem Wasser und wir drehen um.«

Die eiskalten Gewässer der sogenannten »Shark Alley« bei Gans Baai, rund 170 Kilometer südöstlich von Kapstadt, sind berühmt-berüchtigt für die weltweit größte Population an Weißen Haien. An sich keine guten Voraussetzungen für klassische Badegäste, doch der Tourismus boomt. Denn neben einer Safari im Krüger Nationalpark und dem Besuch eines Weinguts bei Stellenbosch zählt mittlerweile auch die hautnahe Begegnung mit dem Weißen Hai für viele Touristen zum festen Bestandteil einer Südafrika-Reise.
 
Nur knappe 15 Minuten von der Küste entfernt kippen die Bootsleute eimerweise übelriechende Fischreste und Anchovis in das Wasser. Ein Bootsmann befestigt einen großen Thunfischschädel an einem dicken Schiffstau und lockt damit die Haie direkt vor den Käfig. »Es kann losgehen, die ersten fünf können in den Käfig steigen«, ruft der Kapitän. Die erste Flosse lässt nicht lange auf sich warten. Im Nu geht bei allen Teilnehmern der Puls in die Höhe, und das Klopfen der Schläfen hebt förmlich die Tauchermasken an. Der mehrere Meter große Raubfisch reißt keine 50 Zentimeter vom Käfig entfernt den Rachen auf, um den Köder zu erwischen. Rasselt mit geblecktem Revolvergebiss volle Wucht gegen die Gitterstäbe. Unterwasser und an Bord surren die Kameras, jaulen die Gäste. Die ersten fünf steigen aus, klatschen sich ab, grinsen überfordert mit puddingweichen Knien.
 
Im Grunde ist es grotesk, den Weißen Hai mit Blut in die Nähe des Menschen zu locken. Kein Wunder also, dass die Käfigtaucherei als umstritten gilt. Aber das Geschäft mit dem Hai füllt die Geldbeutel, hat mit dazu beigetragen, dass die Einwohnerzahl des 1881 gegründeten beschaulichen Fischerdorfs von circa 1.500 Leuten Anfang der 1970er Jahre auf mittlerweile rund 12.000 Einwohner anstieg.
 
Der Kick, den so viele Touristen suchen und auch finden, hat viel mit Steven Spielberg und seinem Kinoknüller »Der Weiße Hai« zu tun. Wer den ultimativen Flossenhorror im Jahre 1975 mit dem zupackenden Originaltitel »Jaws« – auf Deutsch: Kiefer – in den Kinos sah, traute sich danach nicht mal mehr in den heimischen Baggersee. Den 27-jährigen Spielberg katapultierte der Meeresgrusel in den filmischen Olymp. Für den Hai, der schon durch seine äußere Erscheinung kaum Kuschelpunkte sammeln kann, ging es leider ebenso rasant bergab. Der Weiße Hai (lat. Carcharodon carcharias), mit seinen bis zu sechs Metern Länge und bis zu drei Tonnen Gewicht, war als menschenfressende Bestie perfekt inszeniert und somit auf lange Zeit stigmatisiert.
 
Doch was ist wirklich dran an der Legende des Menschenfressers Hai? Die US-amerikanische Global Shark File mit Sitz in Princeton erfasst weltweit sämtliche Haiangriffe. Demnach wurden im vergangenen Jahrzehnt jährlich zwischen 55 und 98 Badegäste, Taucher sowie überwiegend Surfer von Haien attackiert, im Schnitt starben dabei 3,5 Personen pro Jahr. Die Angriffe konzentrieren sich auf wenige Hot Spots wie Florida, Hawaii, Réunion, das brasilianische Recife, die Küsten West-Australiens und das südafrikanische Kap. Bei ca. 15 Milliarden Badevorgängen in Gewässern, wo es tatsächlich Haie gibt, liegt das Risiko, von Haien verletzt zu werden, demnach bei 1:240 Millionen, getötet zu werden bei 1:5 Milliarden. Die Chance auf einen Sechser mit Superzahl im Lotto liegt um ein Vielfaches höher bei 1:140 Millionen. Die Zahlenspiele sind endlos: In den USA ist es 30 mal wahrscheinlicher, von einem Blitz erschlagen zu werden, als von einem Hai angegriffen zu werden. In Kapstadts Two Oceans Aquarium an der Waterfront hing jahrelang ein Schild mit dem Hinweis, dass sogar der Gebrauch von elektrischen Toastern wesentlich gefährlicher sei als der Hai. Eines steht fest: Die Zahl der Opfer steht in keinerlei Verhältnis zur Hysterie und dem Medienecho, das Haiattacken auslösen. Als der dreimalige Weltmeister Mick Fanning bei einem Surf-Wettkampf im Juli 2015 in Jeffrey's Bay bei Port Elisabeth vor laufenden Kameras von einem Weißen Hai attackiert wurde, ging die Szene in Windeseile millionenfach über die sozialen Netzwerke, wurde fröstelnd »geliked« und mit Grausen »geteilt«. Der Australier blieb unverletzt, doch das Image der Haie war wiederholt hinüber. Dabei beruhen die Attacken auf Surfer meist auf einer Verwechslung, denn der Mensch passt eigentlich gar nicht in das Beuteschema des Hais. Dummerweise ähneln vor allem Surfer, die mit baumelnden Beinen auf die richtige Welle warten, den ganz oben auf dem Speisezettel der Haie rangierenden Robben.
 
Was sind das für Leute, die trotzdem vor den Küsten Südafrikas baden, surfen, kiteboarden? Familienväter mit ihren Kindern, Sportfanatiker, Schulklassen beim Ausflug – eigentlich alle. Jean-Jacques de Wit, 35 Jahre alter Analyst und begeisterter Kiteboarder erzählt am Strand von Muizenberg: »Als Kitesurfer bin ich zu 95 Prozent über Wasser, die Surfer leben da schon gefährlicher. Aber ich bin schon mal über einen großen Weißen drübergesurft! Am Anfang dachte ich, es wäre ein dicker Algenstrang. Vermutlich ist das Tier mehr erschrocken als ich. Jedenfalls ist es sofort abgehauen.«
 
Vor dem Stocked Backpackers Hostel in Muizenberg, die mit einem riesigen Surfer-Graffito auf der Hauswand für ihre Kurse werben, sagt der Surflehrer Henry Kumwenda: »Wir hatten die letzte Haiattacke vor mehr als zehn Jahren und die verlief nicht tödlich. Mittlerweile vertraue ich auch auf die Shark Spotters, die ständig die Bucht scannen und sofort Alarm schlagen, wenn sich ein Hai nähert. Ich mache mir ehrlich gesagt keine Gedanken darüber.«
 
Am paradiesisch schönen Strand von Noordhoek Beach vergnügt sich gerade eine Schulklasse mit ihren Surfbrettern in der mustergültigen Brandung der elegisch-hellblauen Wellen. Gute 100 Höhenmeter darüber, direkt am Rande des Chapman Drives, treffe ich einen dieser Shark Spotter, wie er gerade mit dem Fernglas die riesige Bucht abscannt. Er will anonym bleiben, lässt sich nur von hinten fotografieren. »Eigentlich haben wir ein generelles Interviewverbot. Die Presse hat schon zu oft alles verteufelt. Uns das Wort im Mund umgedreht.« Er sieht ein- bis zweimal monatlich einen Hai in der Bucht. Dann sendet er sofort einen Funkspruch, gibt zeitgleich ein lautes Signal und warnt auch durch die Beflaggung unten am Strand sofort alle vor dem Gang ins Wasser.
Um selbst das letzte Restrisiko komplett zu vermeiden, bedarf es wohl der Einstellung von Seva Jusisa, einem exzentrisch gekleideten, jungen Studenten aus Muizenberg. »Ich hänge am Strand meinen Gedanken nach, chille mit Freunden, aber ich bin schon als Kind nicht gerne ins Wasser gegangen, das ist einfach nicht mein Element.«
 
Seva wäre der perfekte Versicherungskunde. Wie heißt es da so floskelhaft: »Sicherheit durch Risikoverzicht«. Richtig, aber Seva nutzt beim Frühstück hin und wieder einen Toaster, fährt auch mal Auto, fliegt vielleicht sogar mal in den Urlaub. Das Leben birgt nun mal Gefahren. Wer sein Brot toastet, sollte eben nicht mit dem Messer danach fischen, wenn es mal klemmt. Wer Fahrrad fährt, der sollte die Autobahn meiden. Und Surfer halten sich besser von der Shark Alley fern.
 
Weitere Informationen:
South Africa Tourism Board, Friedensstr. 6, 60311 Frankfurt, Tel. 0800-1189118, www.dein-suedafrika.de
White Shark Ventures, 7 Kus Weg, Van Dykes Bay, Kleinbaai 7220, www.white-shark-diving.com
 
Allgemeine Informationen:
www.sharkspotters.org.za.
 
(13.12.2017, srt)
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