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Die Insel Giglio ist ein attraktives Ziel für den Italien-Urlaub.

Die Insel Giglio ist ein attraktives Ziel für den Italien-Urlaub.

Foto: Foto: flickr.com / pacamanca

Costa Concordia Touristen stürmen Isola del Giglio

Seit dem der Kreuzfahrtriese Costa Concordia schlagseitig vor der Küste von Giglio im Mittelmeer dümpelt, ist die verträumte Insel vor der toskanischen Küste zum beliebten Ausflugsziel geworden.

Kaum ist die kleine Insel Giglio in Sicht, schon werden die ersten Fährgäste nervös. Sie beziehen Position am Bug der Fähre, schrauben die Teleobjektive auf die mitgeführten Spiegelreflex-Kameras und zücken die Ferngläser. Dabei ist Eile hier fehl am Platze, schließlich muss die Giuseppe Rum sich so aufreizend an der Costa Concordia vorbeimogeln, dass jeder Kamerabesitzer ein optimales Plätzchen fürs Fotoshooting bekommt. Denn der havarierte Kreuzfahrtriese liegt wie ein gigantischer gestrandeter Wal direkt vor der Hafeneinfahrt.

Es ist das größte, jemals auf ein Riff gelaufene Schiff: Für Toskana-Touristen ist die berühmt-berüchtigte Costa Concordia zur Top-Attraktion geworden. Allein am Wochenende kommen über tausend Besucher mehr als sonst, meint Elio Mauro von der Fährgesellschaft Toremar. Für die zwei Fährlinien, die Restaurants, Cafés und Souvenirstände entlang der Hafenpromenade ist das ein gutes Geschäft.

Die Einwohner von Giglio dagegen sind es längst leid. Gegen die wildfremden Menschen, die sich auf den rund gewaschenen Felsen zum Familienfoto mit dem Schickswrack in Pose werfen, lässt sich wenig tun. Der Bürgermeister hat immerhin Schilder anbringen lassen, dass die verehrten Gäste doch bitte den Respekt vor den Opfern der Tragödie und ihren Familien nicht vergessen mögen. Und die hastig auf den Markt geworfenen Postkarten mit dem Bild des Wracks ließ er irgendwann verärgert beschlagnahmen.

Für die Hilfe in der Nacht des 13. Januar, als 4200 durchnässte Schiffbrüchige von nicht mal 500 Insulanern aufgenommen und mit trockener Kleidung ausgestattet wurden, nehmen Bürgermeister und Pfarrer heute europaweit Ehrungen entgegen. Die Dankesschreiben an der Kirchentür hat Don Lorenzo Pasquotti aber mittlerweile weggeräumt. Die ersten beiden Monate hatte er da noch die Briefe und Mails angeheftet, in denen sich Menschen für die spontane Hilfe bedankten. Aber mittlerweile, so findet Hochwürden, muss wieder Alltag einkehren, auch wenn immer noch zwei Menschen vermisst werden in dem vor sich hin rostenden Stahlgebirge.

Das kleine Hotel Demo liegt direkt gegenüber der Unglücksstelle. Der Hotelstrand ist gesperrt. Auf der Hotelterrasse hatte das Fernsehen monatelang ein improvisiertes Studio betrieben. Die armdicken Stromkabel sind noch da. An der Rezeption ist wenig los. Hotelmanager Claudio sitzt da und sagt: »Im Augenblick können wir nicht klagen, normalerweise hätten wir überhaupt erst zu Ostern aufgemacht.« Dieses Jahr ist er bereits seit Januar ausgebucht. Erst von den Schiffbrüchigen. Dann von Journalisten. Und jetzt hat ein Bergungsunternehmen das Hotel komplett für seine Mitarbeiter gebucht.

Die Frage ist nur: wie lange noch? Und was dann? Die Bergungsfirma bucht nur Woche für Woche. Und Claudio bleibt nichts übrig, als die Stammgäste am Telefon zu vertrösten. Vielleicht auf Juni. Oder auf nächstes Jahr. So lange dauert es bestimmt, das Riesenschiff aufzurichten und wegzuschleppen. Das bestätigte gerade erst der italienischen Zivilschutz-Kommandant Franco Gabrielli bei einem gemeinsamen Auftritt im Hotel Bahamas mit dem italienischen Tourismusminister Piero Gnudi. Der beeilte sich, für Urlaub auf der Insel zu werben: Giglio sei doch mehr als die Costa Concordia. Was Politiker halt in solchen Situationen sagen.

Andererseits: Wenn man nur ein paar Meter abweicht, vom Fährschiff nicht nach rechts auf der Uferpromenade spaziert in Richtung Wrack, sondern nach links, dann ist Giglio Porto tatsächlich fast wie früher. Da sitzen die Ortshonoratioren beim Kartenspiel vor dem Caffè Ferraro in der Frühlingssonne, und ein paar Meter weiter kocht Claudio Bossini in der Osteria La Paloma seine »cucina spontanea«, derentwegen Slowfood-Enthusiasten bis aus Rom und Mailand kommen. Der grauhaarige Claudio knurrt denn auch nur zwischen seinen Kochlöffeln hervor: »Die Gaffer brauche ich nicht, die trinken ja noch nicht mal einen Kaffee, bevor sie wieder heimfahren.«

Mit jeder Kehre, die sich der kleine blaue Inselbus hinaufschraubt vom Hafenort Giglio Porto zum bildhübschen Burgdorf Giglio Castello, wird der Schiffskadaver vor der Hafeneinfahrt unwirklicher. Ganz oben wohnt Elisabetta Nanni. Die Halbamerikanerin mit römischem Papa ist Vizevorsitzende des örtlichen Verkehrsvereins und vermietet selbst vier Zimmer. Doch was heißt hier Zimmer? Ihr gehört ein Teil der alten Burg, der höchste bewohnte Punkt von Giglio. Und eins der Gästezimmer war im neunten Jahrhundert eine Mönchszelle. Im lauschigen Burggarten unter Kirsch- und Feigenbäumen hat sie sich mit einem hellblau angestrichenen Oldtimer-Motorrad und anderer Kunst eingerichtet. Die blumenumrankte Bastion gestattet einen aufsehenerregenden Tiefblick auf die Küste und - ja, man muss es sagen - auf das waidwunde Kreuzfahrtschiff.

Aber Nanni mag gar nicht mehr hinsehen. »Es muss weg. Es gehört da einfach nicht hin.« Sie empfiehlt ihren Gästen lieber die Badebucht Campese an der Inselwestseite und die verschwiegenen Tauchgründe um den einsamen Leuchtturm. Morgens nach dem Frühstück macht sie Lust auf eine Tour über die frisch ausgeschilderten Mountainbike- und Wanderwege zu den wilden Weinbergen des Ansonica-Weins, der nur noch auf der Insel wächst.

Aber vor allem vermittelt sie ihren Gästen dieses spezielle Inselgefühl. »Man braucht zwei oder drei Tage, um die Festlandshektik loszuwerden«, weiß sie. »Nehmen Sie sich diese Zeit. Bringen Sie ein paar gute Bücher mit und vergessen Sie Ihren Stress.« Zu viel in einen Urlaubstag hineinpacken zu wollen, lohne sich ja doch nicht, philosophiert sie. »Freuen Sie sich einfach auf die blühenden Ginsterbüsche und die spektakulären Sonnenuntergänge über der Nachbarinsel Montecristo. Und beten Sie mit uns, dass dieses schreckliche Schiff so schnell wie möglich wegkommt.«

Weitere Informationen:
Essen und Trinken: Arcobalena, Via Vittorio Emanuele 48, 58012 Giglio Castello, Tel. 0039/0564/806106, www.arcobalena.net/ristorante_arcobalena.htm. La Paloma, Via Umberto I. 48, I-58012 Giglio Porto, Tel. 0039/0564/809233.

Weitere Auskünfte: Verkehrsbüro Pro Loco Isola del Giglio, Giglio Porto, Via Provinciale 9, I-58012 Giglio Porto, Tel. 0039/0564/809400, Fax 808721, info@ isoladelgiglio.it, www.isoladelgiglio.it. Außerdem: www.giglionews.it (Online-Inselzeitung), www.islepark.it (Nationalpark der toskanischen Inseln), www.tuscanywalkingfestival.it, www.giglioinfo.de.

(17.4.2012, srt, Hans-Werner Rodrian)

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