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Nicht nur auf der griechischen Insel Kos treffen Flüchtlinge und Touristen aufeinander

Nicht nur auf der griechischen Insel Kos treffen Flüchtlinge und Touristen aufeinander

Foto: iStockphoto

FlüchtlingSKRISE Flüchtlinge und Touristen am Strand

Spätestens die verstörenden Bilder von der Ferieninsel Kos haben deutlich gemacht: Die Flüchtlingskrise hat die Urlauber erreicht. Mit ganz unterschiedlichen Folgen.

Eine Elfjährige geht am Badestrand bei Side in der Türkei durch die Liegestuhlreihen. Das Mädchen versucht gemeinsam mit einer Freundin, Getränke zu verkaufen. Wasser, Cola, Sprite. Nur die wenigsten Urlauber bemerken: Die beiden sind syrische Flüchtlinge. 

Wie der kleinen Wasserverkäuferin geht es in der Türkei Hunderttausenden. Das Land hat 2,2 Millionen Vertriebene vor allem aus Syrien und dem Irak aufgenommen, schätzt das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Anders als auf den griechischen Inseln verteilen sich die meisten quer durchs Land, immer auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf und wenigstens kurzfristiger Arbeit. Jetzt, wo an der türkischen Riviera die meisten Hotels bis zum Frühjahr schließen, ziehen auch die Tagelöhner weiter.

 
Aber nicht nur in der Türkei und Griechenland: überall in Europa hat die Flüchtlingswelle die Urlaubsziele erreicht. In Italien und auf Malta landen die Gestrandeten per Boot, Kroatien durchqueren sie teils zu Fuß, aus Spanien verstören die Fernsehbilder von Menschen, die über den Zaun von Melilla und Ceuta klettern.
 
Österreich ist gleich doppelt betroffen: Aus Ungarn und Slowenien kommen tägliche Tausende. Aus Deutschland, so beklagen die Hoteliers, kommen dagegen deutlich weniger Urlauber: Verantwortlich dafür machen die Touristiker gesperrte Bahnlinien und lange Schlangen vor den Autobahn-Grenzstationen. 
 
Längst geht bei Hoteliers, Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften eine Angst um: Die innereuropäischen Grenzkontrollen könnten wieder permanent eingeführt werden. »Das würde für den Tourismus in Europa dramatische Konsequenzen haben«, ahnt der Europaparlamentarier Elmar Brok. 
 
In Deutschland überlegen derweil mehr und mehr Betreiber von Hotels und Ferienanlagen, ob es nicht rentabler ist, statt anspruchsvoller Urlauber lieber dankbare Flüchtlinge zu beherbergen. So erwägt offenbar der Ferienpark Hambachtal im Hunsrück, zunächst über den Winter 1500 Flüchtlinge einzuquartieren. In Passau bot ein Hotelier seine drei Viersterneherbergen als Flüchtlingsunterkünfte an - pikanterweise als Reaktion auf die Pläne eines Nachbarn, gegenüber ein Asylbewerberheim zu bauen. Und wer im Maritim-Hotel in Halle an der Saale absteigen will, der stellt fest, dass das Haus seit 1. Oktober als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird.
 
Auch mancher in der Flugbranche hat entdeckt, dass sich mit Flüchtlingen Geschäfte machen lassen: Die Fluggesellschaft Air Berlin bestätigte bereits im August, dass sie Charterflüge für abgewiesene Asylbewerber durchführt. Lufthansa verkauft dem Staat zur Abschiebung Einzelplätze auf regulären Linienmaschinen, wie die WELT berichtet. 
 
In Berlin macht die Geschichte von einem Hostel die Runde, das seine Bettenzahl kurzerhand von 280 auf 700 aufstockte und der Stadt für 20 Euro pro Bett vermietete. Und von den 38 Ramada-Hotels in Deutschland dienen mindestens drei zeitweise als Flüchtlingsquartiere: Das Haus an der Messe Hannover ist sonst außerhalb der Messezeiten sowieso stillgelegt; die Anlage in Eisenhüttenstadt wird etagenweise ans Brandenburger Innenministerium vermietet. Und das Haus in Hahnenklee im Harz dient bis Ende 2016 komplett als Flüchtlingsunterkunft.  
 
Es ist offensichtlich: Die Reisebranche kann die Flüchtlinge nicht weglächeln. Zunächst teilte die Tui-Pressestelle noch mit, dass die Hotels des Veranstalters auf Kos ja auf der anderen Inselseite lägen. Mittlerweile bestätigt eine Sprecherin »Nachfragen von Kunden«, offenbar gibt es auch Umbuchungswünsche. 
 
Aber Unsicherheit ist kein Stornogrund. Wer gebucht hat, der muss wohl reisen oder zumindest zahlen. Wo das Fernsehen von Flüchtlingstrecks berichtet, da bleiben die Urlauber weg. So herrscht Ratlosigkeit in der Branche. Wo Urlauber und Reiseleiter spontan halfen, halten sich die Veranstalter erst mal bedeckt. Es blieb bei Spenden des Travel Industry Clubs und der Reederei Aida. Dazu kam eine Aktion des Veranstalters Alltours, per Ferienflieger gespendete Kleidung auf die Insel Kos zu bringen.
 
Was möglich wäre, zeigt die iranischstämmige Reiseunternehmerin Jasmin Taylor ("JT Touristik"). Sie hat bereits im vergangenen Jahr ein Projekt zur Eingliederung weiblicher Flüchtlinge gestartet. Der österreichische Alpenverein lädt Flüchtlinge ein, unter dem Motto "miteinander unterwegs" gemeinsam bergzusteigen. Und das Wiener Hotel Magda hat 20 anerkannte Flüchtlinge eingestellt - als Rezeptionist, Zimmermädchen und Haustechniker. Noch weiter geht das Augsburger "Grandhotel Cosmopolis": Es beherbergt Asylbewerber, Geschäftsleute und Urlauber ganz bewusst gemeinsam unter einem Dach - laut Auskunft der Hotelleitung durchaus erfolgreich.
 
Doch das sind Einzelaktionen. Wie die Branche insgesamt denkt, wurde auf dem gerade zu Ende gegangenen »Tourismusgipfel« in Berlin deutlich. Da schwärmte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW), Michael Frenzel: Die Freizeitwirtschaft biete »mit drei Millionen Beschäftigten Chancen für alle«. Bettenmachen, Frühstücksgeschirr wegräumen, das kann eben auch ein Ungelernter aus Syrien.
Wie das funktioniert, lässt sich demnächst vermutlich auch dort beobachten, wo die Kanzlerin im Sommer die G7 zusammenbrachte. Hotelchef Dietmar Müller-Elmau vom Schlosshotel Elmau kündigte jedenfalls schon mal an, »20 bis 30 Lehrlinge aus den Krisenländern« einzustellen. 

(16.10.2015, srt)

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