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Saftig und deftig: Eine Portion Grünkohl mit den traditionellen Beilagen Salzkartoffeln, Kochwurst, Pinkelwurst und Kasseler - serviert in einem Oldenburger Restaurant.

Saftig und deftig: Eine Portion Grünkohl mit den traditionellen Beilagen Salzkartoffeln, Kochwurst, Pinkelwurst und Kasseler - serviert in einem Oldenburger Restaurant. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa/dpa-tmn

Norddeutschland Alles Grünkohl in Oldenburg: Superfood zum Saisonstart

«Kohltourhauptstadt» nennt sich die niedersächsische Stadt und macht damit klar: Mit Humor und Traditionspflege wird das Blattgemüse verehrt. Kulinarischer Spaziergang zum Auftakt des Grünkohlwinters.

Ja, sie mag grau sein und trist. Aber die kältere Jahreszeit in Norddeutschland hat auch ihre schönen Seiten: etwa eine Kohlfahrt in Oldenburg.

«Moin und herzlich willkommen zur kulinarischen Grünkohltour», begrüßt Stadtführerin Maike Vormelker die Teilnehmer. Moin hat übrigens nichts mit Morgen zu tun. Der Gruß kommt aus dem Plattdeutschen und bedeutet sinngemäß, Gutes zu wünschen.

Das passt zur Kohlfahrt-Tradition, an die die Tour anknüpft und bei der gerade das «Gemeinschaftliche sehr schön ist», wie Vormelker anmerkt.

Bei diesen großen Spaziergängen ziehen Gruppen von Freunden, Nachbarn, Kollegen oder ganze Vereine mit einem Bollerwagen voll Proviant los, und ab geht's durch die Region. Das ist Kulturgut, versteht sich.

Die erste Kohlfahrt

Verschiedene Spiele sorgen traditionell für Abwechslung und Gelächter. Und am Ende der Kohlfahrt essen alle Grünkohl mit Pinkel, einer Grützwurst. Ein Klassiker.

Woher der Name Pinkel kommt? Das sei nicht sicher, sagt Vormelker. Ihr gefällt die Geschichte am besten, wonach aus der geräucherten Wurst, wenn sie aufgehängt wird, Fett austritt - die Wurst also quasi pinkelt.

Jedenfalls hat die Wurst Geschichte. Sie nahm als Kräftigung der Teilnehmer schon an der offiziell ersten Kohlfahrt teil. 1871 war das, als einige Mitglieder des Oldenburger Turnerbundes die Tradition begründeten. Sie wanderten von Oldenburg nach Rastede, und nach dem gut zwölf Kilometer langen Marsch wurde gefuttert.

Altstadt schon seit 1967 autofrei

Vormelkers kulinarische Grünkohltour beginnt an der Tourismusinformation und führt hauptsächlich durch die Fußgängerzone. Übrigens der ersten flächendeckenden in Deutschland: Denn in Oldenburg wurden bereits 1967 die Autos aus der gesamten Altstadt verbannt.

In den Wallanlagen erklärt Vormelker ein verbreitetes Kohlfahrtspiel: Beim Boßeln treten zwei Mannschaften gegeneinander an. Jede hat eine Kugel und versucht diese auf einer Straße möglichst weit zu werfen beziehungsweise zu rollen.

Unentbehrlich ist dabei der Krabber, ein Metallkorb an einem Besenstiel. Denn nicht selten landet die Kugel in einem der vielen Gräben. Mit Hilfe des Krabbers fischen die Spieler sie wieder heraus.

Pralinen, Gin, Tee - alles mit Grünkohl

Die erste kulinarische Station ist die ehemalige Hofkonditorei Klinge, wo Christian Klinge die Grünkohlpraline kreiert hat - das «Café Klinge» hat schon seit Jahren geschlossen, die Pralinen aber kann man noch online kaufen. Vormelker ist gut vorbereitet und zaubert welche aus dem Bollerwagen.

Drei Sorten Schokolade, Weizenkorn aus der Region und rosa Pfeffer sind Zutaten - und Palmizio, eine besonders milde Grünkohlsorte. Keiner der Teilnehmenden schmeckt ihn heraus. Bei den hervorstechenden Pfefferkörnern auf der cremigen Süßigkeit ist das anders.

Weiter geht es durch die Innenstadt von Oldenburg, das sich seit einigen Jahren augenzwinkernd wie marketingschlau «Kohltourhauptstadt» nennt, zum nächsten Stopp: «Die Ule» - eine urige Kneipe in einem kleinen gelben Haus, das 1653 in der Burgstraße errichtet wurde.

Gegründet wurde «Die Ule» in den 1970er Jahren von Studenten, die ihre WG entsprechend umgestaltet hatten. Jetzt serviert Kneipenwirt Christian Strenk den Grünkohlgin «Alte Burg» und erzählt: «Zwei Oldenburger Jungs haben ihn während des ersten Corona-Lockdowns aus einer klassischen Schnapsidee heraus entwickelt.»

Da er einen Bezug zu Oldenburg haben sollte, kamen sie auf Grünkohl als Zutat. Der Wirt hebt sein Glas und stößt mit den Gästen an. Zusammen mit Orange, die geschmacklich leicht dominiert, und Blaubeere ist eine würzige Spirituose zu schmecken.

Grünkohltee auf Basis eines chinesischen Sencha mit Pfirsichstücken wartet bei «Nölker & Nölker». Auch hier steht das Grünkohlaroma keineswegs im Vordergrund - anders als bei «Violas'», einem Gewürzladen. Es wartet eine Probierration des Wintergemüses, verfeinert mit einem speziellen Grünkohlgewürz und mildem Pinkel-Senf, die die Tourteilnehmer dankend entgegen nehmen.

Wohlschmeckend durch Kälte

Genug geschlemmt - ein bisschen Theorie: Als eine der wenigen Gemüsesorten, die im Winter frisch geerntet werden können, spielt Grünkohl von alters her eine wichtige Rolle in der Region. Bei einstelligen Temperaturen wird er sogar erst richtig lecker, da die Pflanze dann als Frostschutz Zucker bildet und nicht mehr so bitter schmeckt.

Lange galt als sicher, dass dieser Prozess erst bei Temperaturen unter null Grad Celsius abläuft. Dass das so aber nicht stimmt, hat «Grünkohldoktor» Christoph Hahn herausgefunden. Von der Bachelor- bis zur Doktorarbeit hat er das Blattgemüse an der Uni Oldenburg erforscht und dabei auch festgestellt, dass Grünkohl ein wahres Superfood ist.

Er enthält etwa doppelt so viel Vitamin C wie Zitronen. Außerdem ist er reich an bestimmten Carotinoiden, die Augenerkrankungen vorbeugen sollen, sowie Senfölen, die präventiv gegen Krebs wirken sollen, berichtet Hahn von seinen Ergebnissen.

Allerdings entfaltet das Gemüse seine positiven Eigenschaften vor allem, wenn es möglichst roh verzehrt wird, beispielsweise als Salat oder im Smoothie. Klassisch wird Grünkohl dagegen sehr lange gekocht.

Neue Sorte, alter Name

Eine neue Sorte habe Christoph Hahn auch gezüchtet, sagt er: mit einem sehr ausgewogenen Mix an Vitaminen und Mineralien, nicht so bitter sowie resistent gegen Fraßfeinde und Trockenheit.

Ihr Name sei «Oldenburger Palme», also genau so wie der Grünkohl aufgrund seiner Wuchsform und -höhe rund um Oldenburg schon lange genannt wird. Vorgestellt werden soll die Neuzüchtung beim Saisonstart des Gemüses: am 5. November.

Dann wird auf dem Oldenburger Rathausmarkt Grünkohl in allen Variationen serviert, auch als Zutat in dem Bier «Grüner Anton» aus der ortsansässigen «Ols Brauerei», in deren Restaurant die kulinarische Kohltour endet. Die Botschaft ist klar: «Zu jedem Grünkohlessen gehört ein Bier.» So sagt's zumindest Maike Vormelker.

Infornation:

Tour: Die Stadtführung im Zeichen des norddeutschen Superfoods dauert rund zwei Stunden, findet von November bis März jeden ersten und dritten Freitag im Monat statt und kostet 35 Euro pro Person. Die Mindestteilnehmerzahl liegt bei fünf Personen; buchbar über www.kohltourhauptstadt.de, wo auch Wissenswertes zur Geschichte der Kohltradition zu lesen ist.

Auftakt: Zum Saisonstart am 5. November gibt es auf dem Oldenburger Rathausmarkt an langen Tischreihen Grünkohl, klassisch mit Pinkel oder kreativ als Burger, Bagel, Pesto, Sandwich, in Bier und Gin sowie ein Bühnenprogramm.

Weitere Infos: Touristinformation Oldenburg

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