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Gärung in offenen Holzfässern: In den Kellergewölben der Pilsner-Urquell-Brauerei werden kleine Chargen des Biers noch immer auf diese traditionelle Weise hergestellt.

Gärung in offenen Holzfässern: In den Kellergewölben der Pilsner-Urquell-Brauerei werden kleine Chargen des Biers noch immer auf diese traditionelle Weise hergestellt. Foto: Tom Nebe/dpa-tmn

Städtetrip Auf ein paar Pils in Pilsen

Es ist eine Stadt, die wie keine andere schon mit dem Namen für Bier steht. Aber trägt das allein einen Trip dorthin? Ein Versuch zwischen reichlich Frischgezapften und einem bierigen Bad.

Der Ort, wegen dem es die meisten Besucher nach Pilsen zieht, liegt praktischerweise vom Hauptbahnhof nur gut fünf Minuten Fußmarsch einen Hügel hinab entfernt. Und so ist zu vermuten, dass es viele handhaben wie die vor mir laufenden Männer mittleren Alters: Sie gehen auf direktem Weg vom Zug zur Brauerei.

Kurz wird sich aber noch auf der Fußgängerbrücke vor der Brauerei zum Foto aufgestellt. Sie sehen mich und reichen mir ein Smartphone. Man spricht Deutsch: «Könnten Sie?» Klar. Nach dem Gruppen-Schnappschuss marschiert die Gruppe schnurstracks weiter in die Hopfen-Hochburg.

Brauereien zum Besichtigen - und zur Bierverkostung - gibt es in vielen Städten und sie ziehen zuverlässig ihr Publikum an. Doch dass eine Brauerei die mit Abstand am meisten besuchte Sehenswürdigkeit einer Stadt ist, ist schon bemerkenswert.

Pilsen ist Bier und Bier ist Pilsen, heißt es auch auf der Website der Stadt. Und wer würde dem widersprechen?

Auch wenn man beim Tourismusbüro nicht müde wird zu betonen, dass Pilsen und seine Umgebung viele schöne Ecken hätten, was zweifellos richtig ist. Dennoch lehnt man sich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn man festhält: Gäbe es das Bier nicht, das seit 1842 einer ganz Brauart ihren Namen gibt, hätten viele die Stadt anderthalb Zugstunden westlich von Prag nicht auf dem Schirm.

Die Brauerei und ihr unterirdisches Gewölbe

Natürlich startet man also dort, wo es auch die deutsche Männer-Reisegruppe direkt hingezogen hat: bei der Brauerei von Pilsner Urquell. Die ist in jedem Fall einen Besuch wert, auch wenn man auf den Höhepunkt des Besuchs etwas warten muss.

Zunächst geht die Führung mit einem Abriss zur Entstehungsgeschichte des Pilsners und der Brauerei los, der Brauprozess wird erklärt, man kann geriebene Hopfenpellets probieren - und kriegt den Geschmack, der an bitteren Tee erinnert, danach ewig nicht aus dem Mund.

Es geht weiter ins alte historische und neue moderne Sudhaus, die sich bis auf die Deckenhöhe kaum unterscheiden: Hübsche kupferfarbene Kessel, in denen das Bier gebraut wird, stehen in beiden.

Das alles ist interessant und doch, wenn man schon andere Brauereien besucht hat, irgendwie altbekannt. Aber das Highlight kommt hier eben zum Schluss. Neun Kilometer unterirdisches Gewölbe ziehen sich unter dem Brauereigebäude entlang. Es ist kühl und feucht, wer nicht aufpasst, droht auf den glitschigen Steinen auszurutschen.

Hier wurde das Bier einst in Holzfässern bei konstant niedrigen Temperaturen offen gegärt. Die riesigen Keller erinnern einen an Bergbaustollen. Die Wege sind breit und so hoch, dass einst Pferdekarren hier durchfahren konnten.

Längst gärt das Bier in gekühlten Stahltanks, doch einige Chargen werden weiterhin in Holzfässern hier unten gegärt. Und genau dieses Bier können Besucher am Ende der Führung probieren: unpasteurisiertes und noch nicht gefiltertes Pilsner.

Es sei quasi das Bier, dass die Urväter des Pils 1842 am Ende ihrer Tüftelei gekostet und für gut befunden hätten, erklärt die Führerin, nachdem sie allen ein 0,3-Liter-Glas aus dem Holzfass vollgemacht hat. Das Ur-Pilsner ist trübgelb und sehr süffig.

Schönheitskur für das Zentrum der Stadt

Von der Brauerei ist es nur ein weiterer Fußmarsch von wenigen Minuten in die Altstadt, die vor nicht allzu langer Zeit erst so richtig herausgeputzt wurde. 2015 war Pilsen Kulturhauptstadt Europas, und im Zuge dessen war in den Jahren davor kräftig Geld geflossen, um Gebäude und Parks hübsch zu machen. Das sieht man.

Vielleicht übertreibt Stadtführer Jan ein wenig, wenn er erzählt, vorher sei hier alles grau gewesen und die Parks halbe Dschungel mit hohen Wiesen. Doch selbst wenn es so gewesen sein sollte: Das Pilsner Zentrum von heute präsentiert sich sauber, mit schönen Fassaden und einem Parkring rund um die Innenstadt mit kurz geschnittenem Rasen, Springbrunnen und gepflegten Beeten. Auch an Gaststätten und Bars herrscht kein Mangel.

In der Mitte von allem thront die St.-Bartholomäus-Kathedrale. 102 Meter hoch, die höchste Kirche Tschechiens. Links vom Eingangsportal ist eine kleine Tür, die man fast übersehen könnte. Geht man durch, erreicht man nach rund 300 Stufen die Aussichtsplattform. Das Bier ist auch hier oben nicht weit weg, die Brauerei unübersehbar.

Wieder unten angekommen, erzählt Jan, dass die Kathedrale eine katholische Kirche sei. «Es ist selten ein Problem, hier einen Platz zu bekommen - wir sind das wohl atheistischste Land der Erde», fügt er an. Ganz unrecht hat er nicht: Im europäischen Vergleich ist Tschechien beim Grad der Säkularisierung vorne dabei.

Bier als Religion

Wo das Land ganz sicher weltweit Spitze ist, ist der Pro-Kopf-Bierkonsum, das zeigen Daten. Darauf angesprochen, sagt Jan nur: «Vielleicht haben sie einen neuen Gott gefunden?»

Den Spruch meint er natürlich nicht ernst, auch wenn manche Bier sicherlich als ihre Religion bezeichnen würden.

Ob das auch für die Gäste im The Pub gilt, der unweit von der Kathedrale liegt? Schwer zu sagen. Wenn, dann frönen sie ihrem Gott hier mit möglichst hoher Trinkrate. Das Konzept des Franchise, das es auch in anderen tschechischen Städten gibt: An jedem Tisch steht eine Zapfanlage, die auch zählt, wie viel Bier jeder trinkt. Ein großer Bildschirm zeigt, welcher Tisch am meisten «zieht». Biertrinken als Wettbewerb.

Ist das Bierkultur? Auf jeden Fall keine Genusskultur. Das Bier, das aus unserem Hahn fließt, schmeckt leicht fischig. Vielleicht stand es zu lange in den Leitungen, die unter dem Boden zum Tisch führen, und wurde schal? Wir lassen unsere Gläser jedenfalls stehen und ziehen ab. An den anderen Tischen scheint das Bier zu schmecken. Oder der Geschmack ist egal.

Der Bestwert eines Tisches liegt um 21 Uhr laut Anzeige bei 25 Bieren. Hier fällt offenbar keiner vom Bier-Glauben ab.

Wo es gutes Bier und gutes Essen gibt

In Pilsen soll die Kneipendichte gemessen an der Einwohnerzahl höher als in Prag sein, sagt man mir. Mag sein, auch wenn die Gaststätten mit klassischer Küche wie Gulasch oder Svíčková und - Ehrensache - Pilsner Urquell am Zapfhahn hier nicht so augenfällig oft zu sehen sind wie in manchen Teilen der tschechischen Hauptstadt.

Es gibt abseits des Vieltrinker-Pubs in jedem Fall genug empfehlenswerte Adressen für böhmische Genusskultur. Im Zentrum der Stadt zählen das U Salzmannů dazu und das Na Parkánu, wo man etwa die sehr intensive Knoblauchsuppe auch mit einem ungefilterten Urquell hinunterspülen kann.

Auf dem Gelände der Brauerei steht in ehemaligen Gärkellern mit dem Na Spilce das nach eigenen Angaben größte Restaurant Tschechiens.

Es wäre aber ein Fehler, den Pilsner Bierkosmos nur auf das eine Bier mit dem weltbekannten Namen zu reduzieren.

Nicht nur, dass es mit Gambrinus eine zweite, vor allem in Tschechien bekannte und verbreitete Biermarke gibt, die in Steinwurf-Entfernung vom Pilsner Urquell gebraut wird. Es finden sich in und um Pilsen mehr als ein Dutzend kleinere Brauereien.

Baden in Bierzusatz - mit Zapfanlage an der Wanne

Die Größte unter diesen Kleinen ist Purkmistr. Auf einem ehemaligen Bauernhof im dörflichen Ortsteil Černice, sieben Kilometer südlich vom Zentrum, wird nicht nur Bier gebraut. Es gibt auch ein empfehlenswertes Restaurant, ein Hotel und ein Bier-Spa.

Das Spa ist das Aushängeschild von Purkmistr. Der Kern des Angebots sind mehrere große Holzbadewannen für ein warmes Bad mit bierhaltigen Badezusätzen und einer Zapfanlage in Griffweite neben der Wanne, in der man sich kühles Lagerbier ins Glas füllen kann.

Persönlicher Eindruck: Die gut 25 Minuten im Bierbad mit Frischgezapften waren erstaunlich entspannend. Irgendwie zwangsläufig bekam man für die anschließende Zeit im Ruheraum natürlich wieder ein Bier angeboten. Wer Bier mag, für den funktioniert die Art der Entspannung in jedem Fall.

Natürlich ist die originelle Wannen-Wellness vor allem dafür da, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das gibt Petr Mic, Marketingmanager von Purkmistr, offen zu. Das Spa als Zugpferd half, das Hotel nach anfänglichen Auslastungsproblemen voller zu bekommen. Gäste kämen aus Brasilien, USA, Südafrika.

Und viele kämen auch aus Deutschland hierher. Wie sie ausgerechnet das Bierspa am Rand von Pilsen finden? Dafür braucht Mic nicht allzu viel Fantasie, er kann sich den Buchungsprozess bei manchen der Gäste lebhaft vorstellen: «Sie sitzen vor dem PC, geben Urlaub und Bier ein und bekommen als Ergebnis Pilsen angezeigt.»

Dass auch die Strahlkraft von Pilsner Urquell die Leute in die Stadt und letztlich auch zu Purkmistr lockt, weiß Mic. Als Konkurrenz begreift er die Großbrauerei im Stadtzentrum ohnehin nicht, dafür sind die Welten zu verschieden.

«Sie brauen so viel, deshalb können sie keine Experimente machen», sagt Mic mit Blick auf deren Angebot. «Wir dagegen können pro Jahr 50 Biervarianten anbieten.» Wie zum Beweis zapft er ein kleines Glas der aktuellsten Kreation zum Probieren aus einem kleinen Metallkessel.

Info-Kasten: Pilsen

Anreise: Mit dem Zug etwa über Prag. Pilsen liegt im Westen Tschechiens, rund 90 Kilometer von der Hauptstadt entfernt.

Brauerei von Pilsner Urquell: Nur wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt liegt das weitläufige Gelände, auf Tschechisch Plzenský Prazdroj. Führungen kann man online buchen.

Bierfeste: Jedes Jahr am ersten Oktoberwochenende ist auf dem Brauereigelände Party mit Bands und reichlich Pilsner Urquell beim Pilsner Fest. Ein Tipp für Bierliebhaber ist das «Sun in a Glass»-Festival, das Mitte September rund um das Purkmistr-Gelände in Pilsen-Černice steigt: Hier präsentieren kleine Brauereien aus der Stadt und Region ihre Kreationen. Mit einem Probierglas ausgestattet, testet man sich durch.

Empfehlung: Die Bar Klub Malých Pivovarů zwischen Hauptbahnhof und Brauerei mit großem Fassbier-Angebot abseits des allgegenwärtigen Pilsner Urquells.

Mal kein Bier: Tatsächlich wird hier nicht nur Bier, sondern auch Sekt in rauen Mengen hergestellt. Der größte tschechische Produzent Bohemia Sekt hat vor den Toren der Stadt in Starý Plzenec seine Produktionsanlagen mit Verkauf und Führungen.

Informationen: Auskünfte und Tipps, auch übers Bier hinaus, für den Pilsen-Besuch gibt es in deutscher Sprache beim Tourismusbüro der Stadt unter www.visitpilsen.eu/de/.

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