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Die Bochumer Familie «Illo» (l), «Mops» und ihr vierjähriger Sohn erzählen von ihren Erlebnissen mit dem Wohnmobil durch ganz Europa.

Die Bochumer Familie «Illo» (l), «Mops» und ihr vierjähriger Sohn erzählen von ihren Erlebnissen mit dem Wohnmobil durch ganz Europa. Foto: Roland Weihrauch/dpa

«Vanlife» Vom Nordkap bis Marokko: Bochumer Familie lebt im Wohnmobil

Wohnung und Auto verkauft - und in einem Wohnmobil zur großen Reise durch ganz Europa aufgebrochen. Eine junge Bochumer Familie hat das gewagt - mit vierjährigem Sohn und bald einem zweiten Kind.

Einen Skorpion hat der vierjährige Mian schon mal live gesehen - in der Wüste Marokkos. Und am Zusammenfluss von Nord- und Ostsee an der Spitze Dänemarks kennt er die Wassertemperatur: Er war mit seinen Eltern mit den Füßen drin.

Die Mittdreißiger Illo und seine Frau Mops aus Bochum leben mit ihrem Sohn einen Traum, den sich viele nie erfüllen: Sie haben alles verkauft und fahren seit dem 1. Mai vergangenen Jahres mit einem Wohnmobil durch viele Länder.

Am Nordkap waren sie und in Marokko, in Norwegen, Dänemark und lange in Spanien - und seit wenigen Tagen sind sie mit ihrem Wohnmobil wieder in Bochum-Langendreer. Denn die 33-Jährige ist hochschwanger, in etwa zwei Wochen soll das Kind kommen. Sie möchte es in einem Ruhrgebietskrankenhaus bekommen und für die Zeit im Wochenbett danach die Annehmlichkeiten einer festen Wohnung genießen. Eine ältere Dame hat der Familie eine leerstehende Wohnung angeboten, aktuell streicht Illo dort gerade an.

Camperszene schließt junge Familie ins Herz

Mops und Illo sind nicht die bürgerlichen Namen der beiden. Die möchte die Familie mit Rücksicht auf ihre Privatsphäre nicht nennen. Die beiden berichten seit Beginn der Reise fast täglich in den sozialen Medien über ihre Erlebnisse und sind etwa auf Youtube mit gut 21.000 Abonnenten bekannt.

Vor allem aus der Campingszene klicken viele Zuschauerinnen und Zuschauer die Videos, in denen die beiden jungen Bochumer Campingplätze und Urlaubsländer bewerten und aus ihrem Alltag plaudern. «Wir sind sowas wie eine Daily Soap - gerade weil wir als absolute Camping-Amateure gestartet sind», sagt sie. Viele Camper seien zwischen 50 und 60 plus: «Die haben uns ins Herz geschlossen als so was ähnliches wie Kinder oder Enkelkinder.»

Wenn ihr zweites Kind da ist, will die Familie mit dem wenige Monate alten Säugling im September wieder aufbrechen - zuerst in Richtung Kroatien. Solche Fahrten seien auch mit sehr kleinen Kindern möglich, sagt der Kinderarzt Michael Achenbach, Sprecher des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte für Westfalen-Lippe.

Schulpflicht, sozialer Kontakt und Rap

Ein Wohnmobil biete im Inneren deutlich mehr Platz - und damit Frischluft - als ein Pkw und werde naturgemäß gemächlicher bewegt. Die Eltern müssten natürlich Pausen einlegen - als Richtwert alle zwei Stunden -, auf Schatten mit UV-Licht-dichten Stoffen achten und die Kinder bei Hitze leicht anziehen. Hygieneprobleme sehe er kaum: «In den Ländern werden auch Kinder geboren.» Stillen erleichtere den Alltag erheblich. Ihren Sohn Mian hatte die Bochumerin Mops - zuletzt mit Beikost - bis zum 13. Monat gestillt.

Dass Mian auf den Fahrten ausreichend soziale Kontakte zu anderen Kindern findet, haben die Eltern fest im Blick, sagt Illo. «Andere suchen auf dem Campingplatz nach abgeschiedenen Ort, wir nach Plätzen mit vielen Kindern.» Eine weitere von Kritikern des sogenannten «Vanlifes» mit Kindern immer wieder genannte Hürde ist die Schulpflicht in Deutschland. Sie gilt mit nur wenigen Ausnahmen. «Aber da haben wir ja noch zwei Jahre. Ich mache mir dazu noch keine Gedanken», sagt Mops.

Die jeweils rund 15-minütigen Filme der Bochumer untermalt Illo mit selbst gemachter Musik. «Hab schon immer diesen Traum gehabt, Richtung Sonne, Richtung Süden, wir hams raus geschafft», rappt der 35-Jährige dabei. Als Rapper hat er auch seine Frau kennengelernt, wie er erzählt. Sie sei Fan gewesen, habe ihn nach einem Konzert angesprochen und ihm auf einem Foto gezeigt, dass sie sich eine Zeile aus einem seiner Songs mit Farbe auf die Wand ihres Zimmers gemalt habe. Noch am selben Abend habe es den ersten Kuss gegeben.

Viel Arbeit für das große Glück

Für ihren Aufbruch konnten die beiden Bochumer nicht auf zahlungskräftige Eltern und eine volle Reisekasse bauen. Illo ist Berufskraftfahrer bei der Bochumer Müllabfuhr, Mops gelernte Krankenschwester. Aber beide sind ehrgeizig und sparsam. Er hat neben dem Hauptberuf als Helfer in einem Reitstall Geld dazuverdient, sie in der Altenpflege neben ihrer Vollzeitstelle im Krankenhaus.

Gemeinsam haben sie eine sanierungsbedürftige 87-Quadratmeter-Eigentumswohnung gekauft und mit viel Eigenleistung auf Vordermann gebracht. Als sie die Wohnung im vergangenen Frühsommer verkauften und dazu noch Illos Stolz - einen BMW -, war das Geld fürs Wohnmobil und ein bisschen Reserve da, wie sie erzählen. In ihren Jobs haben die beiden Elternzeit beziehungsweise Sonderurlaub vereinbart - beides unbezahlt. Sie leben vom Verkaufserlös der Wohnung plus geringen Youtube-Honoraren «als Zuschuss zum Spritgeld».

Seit gut einem Jahr sind sie seitdem unterwegs - am Strand bei Venedig, im Sandsturm in der Wüste Marokkos, auf menschenleeren Straßen Norwegens.

Wo sie einmal dauerhaft landen - wieder in Deutschland oder für immer im Ausland -, ist noch völlig unklar. «Allerdings habe ich mir für Spanien schon mal eine Steuernummer bestellt», sagt Illo. Die braucht man für Job und Immobilie.

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