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Verkehr am Himmel über Pfronten: Ein Solo-Paraglider fliegt neben dem Autoren und seinem Tandempiloten in Richtung Tal.

Verkehr am Himmel über Pfronten: Ein Solo-Paraglider fliegt neben dem Autoren und seinem Tandempiloten in Richtung Tal. Foto: Andreas Drouve/dpa-tmn

Thrill in der Luft Was reizt uns im Urlaub an Gleitschirmfliegen und Co?

Gleitschirmflüge, Skydiving und andere waghalsige Aktionen: Dafür scheinen wir vor allem auf Reisen zu haben zu sein. Warum eigentlich? Ein Selbstversuch mit psychologischer Einschätzung.

«Lauf, lauf», schreit Fabi hinter mir. Es ist das vereinbarte Startsignal. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Das Herz schlägt bis zum Hals. Auf der abschüssigen Wiese rennen wir so synchron wie möglich los.

Über Gurtzeug und Karabiner sind Fabi und ich verbunden - oder, besser gesagt, hänge ich an ihm. Bei der Einweisung hatte er mir eingeschärft: «Lange, ausgreifende Schritte machen.» Wir gewinnen an Tempo, bis der brutale Ruck im Rücken kommt.

41 Quadratmeter Gleitschirm haben sich beim Sprint mit Luft gefüllt, wir heben ab. Es schaukelt und saust und sirrt in den Ohren. Der Wind schneidet ins Gesicht. Nun liegen die Ausläufer der Allgäuer Alpen im Mittagslicht unter uns, wir schauen hinab auf Wälder, Viehweiden, Felsflanken.

Fabi hat die Steuerseile im Griff. Ich fühle mich buchstäblich fremdgesteuert und wie hineinkatapultiert in einen Film, der vor meinen Augen abläuft. Mit dem Unterschied, dass ich heute mitspiele.

Die Perspektive ist unwirklich, die Sitzstellung mit den herabbaumelnden Füßen erstaunlich bequem. Der Puls verlangsamt sich, doch die Anspannung bleibt. Knapp zwanzig Minuten wird der Flug in die Tiefe des Tals von Pfronten - nahe Füssen - dauern.

Ins Territorium der Adler

Fabi heißt Fabian Bendlin, ist 30, gelernter Maschinenbauingenieur und nebenberuflich Tandempilot für Gleitschirmflüge. Das Fliegen hat ihn gepackt. Warum? «Da oben betritt man aus der Vogelperspektive ein neues Areal», sagt er. «Wir Menschen sind so geschaffen, eigentlich immer am Boden zu sein. Und jetzt schaffen wir’s in die Luft, ins Territorium der Adler. Das ist das Schönste, was es gibt.»

Ist es das wirklich? Diese Frage richte ich an mich selber. Was hatte mich angetrieben? Es gibt mehrere Antworten. Ganz kurz und knapp lauten sie: Selbstbeweis, der Reiz des Neuen, die bewusste Konfrontation mit der eigenen Höhenangst.

Was treibt andere an, die so etwas machen? «Für manche ist es ein Once-in-a-lifetime-Erlebnis, das sie als Geburtstagsgeschenk bekommen haben», erzählt Fabian. «Andere wollen ausloten, wie weit der Mut reicht.» In der Luft habe der Passagier eigentlich nur noch die Aufgabe, das Ganze zu genießen. Thrill und Chill quasi.

Vermarktungspotenzial für Urlaubsort - und Urlauber

Feriengemeinden vermarkten Adrenalinkicks in der Luft, wollen sich von anderen Regionen durchs Abheben abheben: ob mit Paragliding wie hier im Allgäu, durch Fallschirmsprünge oder immer neue, noch spektakulärere Ziplines.

Und es braucht nur einen Blick in die sozialen Medien, um zu sehen: Es geht auch manchen Urlaubern um eine Art Selbstvermarktung. Bilder, in denen man in Hunderten Metern Höhe über den Bergen schwebt, werden die Follower vermutlich mehr beeindrucken als das nächste «schnöde» Gipfelpanorama von der Aussichtsplattform. Nach dem Motto: Schaut, was für einen aufregenden Urlaub ich erlebe!

Klar: Nervenkitzel und Hang zur Selbstpräsentation gehen für manche Hand in Hand, aber das gilt natürlich nicht pauschal für alle. Und so bleibt immer noch die Frage: Warum scheinen Menschen gerade im Urlaub eher dazu bereit, ein Risiko einzugehen?

Spontaner als im Alltag

Reisepsychologin Christina Miro hat eine Antwort: «Während einer Reise verlässt man die gewohnte sichere Umgebung und begibt sich an einen meist unbekannten Ort in der Ferne», sagt Miro. «Dabei nehmen Reisende automatisch neue Reize wahr.» Das mache sie spontaner und unternehmungslustiger als im routinierten Alltag. «Sie haben mehr Lust, etwas Neues auszuprobieren.»

Miro ist auch schon den Verlockungen unterwegs erlegen, «etwas Verrücktes oder Außergewöhnliches zu tun». Ob beim Parasailing im Mittelmeer oder beim Indoor-Skydiving. Den Zustand danach beschreibt sie so: «Die Belohnung ist ein positives Gefühl wie Zufriedenheit und Dankbarkeit, am Leben zu sein.» Man sei stolz, dass man es geschafft habe, seine Angst zu überwinden. Man spüre auch Erleichterung und Freude, dass es vorbei und alles gut gegangen sei.

Diesen Eindruck kann ich bestätigen. Genau das geht mir nach dem Gleitschirmflug auch durch den Kopf - Stolz, Erleichterung, ein gutes Gefühl. Fabi und ich sind planmäßig, aber abrupt auf den gepolsterten Hosenböden im Gras gelandet. Der Tandempilot legt den Schirm zusammen, für den nächsten Passagier.

«Es wird nie langweilig, jeder Flug aufs Neue ist der Hammer», sagt er und spricht von «vielen Wiederholern», die wieder fliegen wollten. Würde auch ich es abermals tun? Da bin ich mir nicht sicher.

Gleitschirmfliegen in den Alpen

In den Alpen gibt es zahlreiche Anbieter für Gleitschirmflüge. Die Preise variieren je nach Anbieter und Länge des Fluges - von rund 100 Euro bis weit über 200 Euro. Gegebenenfalls kommen noch die Kosten für das Bergbahnticket zum Startpunkt dazu.

Foto- und Videopakete kosten ebenfalls in der Regel extra. Alternativ kann man für gewöhnlich selber fotografieren oder filmen, wobei Kamera oder Smartphone gut befestigt sein müssen.

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