Flüge Hotels Pauschalreise Pauschal Mietwagen Rundreisen Kataloge
Bonbonfarbene Häuser in Bo-Kaap, einem Viertel von Kapstadt

Bonbonfarbene Häuser in Bo-Kaap, einem Viertel von Kapstadt

SüdafrikaBuntes Viertel Bo-Kaap in Kapstadt

Sklaven aus der muslimischen Welt gründeten einst das Kapstädter Viertel Bo-Kaap. Heute bildet es mit seinen bonbonbunten Häusern, exotischen Läden und Moscheen einen multikulturell geprägten Anziehungspunkt.

Fachmännisch fächelt sich Shireen Narkedien den Duft der Currymischung zu. Ein Junge mit vielleicht acht Jahren huscht zwischen den Gewürzsäcken mit Chili, Kreuzkümmel und Koriander hindurch. »Na, Ismail, ist die Schule heute schon vorbei?«, fragt die 59-Jährige. Und weiter: »Habt ihr viele Hausaufgaben? Du spielst doch auch Rugby, oder?« Ismail nickt und antwortet pflichtbewusst, während er zu Shireen aufblickt, die dem strahlenden Knirps prompt ein paar Bonbons aus ihrer Jackentasche zusteckt.

Shireen arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Tourismus. »Als Nicht-Weiße durfte ich erst 1994 als Gemeindeführerin anfangen. Anfangs war ich blank entsetzt was für ein offenkundiger Unfug vor allem über das Bo-Kaap von sogenannten Stadtführern verbreitet wurde. Meine Familie mütterlicherseits lebt hier seit sieben Generationen, und so lag es nahe, dass ich mich dann später, als offiziell zertifizierter Tourguide, noch eingehender mit der Geschichte des Bo-Kaaps beschäftigte«, erzählt sie. »Das Atlas Trading-Gewürzhaus ist eine wichtige Anlaufstelle auf meiner Tour. Zum einen koche ich ja selbst gerne und oft, zum anderen offenbaren diese wunderbaren Gewürze und die damit verbundene Art zu kochen einen starken identitätsstiftenden Faktor der vielen Einwanderergruppen hier im Bo-Kaap.

Cape Muslim Quarter, MalayQuarter, Cape Malay … das Bo-Kaap trägt viele Namen. Bo-Kaap ist Afrikaans und bedeutet geografisch sachlich einfach nur »Über dem Kap«. All die anderen Namen erinnern an die Herkunftsländer und Religionen der überwiegend muslimischen Sklaven, die im 17. und 18. Jahrhundert hier ansässig wurden. Die häufige Reminiszenz an die Malaien führt indes ein wenig auf den Holzweg. Die meisten Sklaven stammten aus Indien, Sri Lanka, Indonesien … nicht mal zwei Prozent davon tatsächlich aus Malaysia. Allerdings wurde unter den aus Asien zusammengewürfelten Sklaven auf den Schiffen hauptsächlich malaiisch gesprochen. Deshalb hieß der kleine Stadtteil zu Füßen des Signal Hill anfangs erstmal Cape Malay. Sklavinnen landeten meist auf den Feldern, aber auch in die Küchen der meist europäisch-stämmigen Einwanderer. »So kamen sie erstmals mit holländischen, deutschen, englischen, französischen Lebensmitteln und Rezepten in Berührung. Trotz widriger Umstände, war das der Beginn einer unglaublichen Fusionsküche«, so Shireen.

Warum die Häuser so bunt sind, erklärt sie auch. »Es war ein Zeichen wiedergewonnener Lebensfreude und – so will es eine Legende – obendrein ein toller Werbegag. Ursprünglich durften die Sklaven ihre Häuser bestenfalls weiß tünchen, viele Hauswände blieben lange unverputzt. Ein Arzt mischte erstmals etwas Farbe rein und pinselte sein Haus pink.« Das kam scheinbar gut an. Und da der raue Südwester mit reichlich Salzwasser in seinen wilden Böen den Fassaden immer schon mächtig zusetzte und jährlich einen Neuanstrich erforderte, strichen fortan weitere Kap-Malayen ihre Häuser auch bunt.

Heute reicht das Spektrum von neongelb über giftgrün zu knallorange. »Jedes Haus muss eine andere Farbe haben. Wer schon länger in der Straße wohnt, hat das Vorrecht in der Farbwahl. Streifen oder Punkte sind verboten«, klärt Shireen auf. Dieser großflächige Farbmix setzt einen stets die Mundwinkel nach oben ziehenden positiven Reiz, quasi ein optisches Psychopharmaka per Pinselstrich, das jeglichen Trübsal überstrahlt. Von oben betrachtet, vom Signal Hill oder auch vom Dach des Boutique Hotels Rouge on Rose wirkt das bestenfalls einen Quadratkilometer große Stadtviertel gar wie ein Zauberwürfel auf Ecstasy.

Die Architektur der maximal zweistöckigen Häuser offenbart eine ansprechende Synthese aus den kap-holländischen und englischen Baustilen seiner Zeit. »Wer ganz genau hinsieht, erkennt feine Unterschiede. Die viktorianischen Häuschen hatten anfangs noch Säulen und Verzierungen aus Schmiedeeisen, um die Balkone oder überdachten Terrassen abzustützen. Doch im Heraufziehen des Ersten Weltkriegs wurde auf Geheiß der Queen alles Eisen für Kanonenkugeln verwendet. Später unter King Edward wurden die Fronten wieder vorgezogen«, weiß Shireen.

Tagsüber erstrahlt das Viertel in schillerndem Glanz, Film- und Fotoproduktionen geben sich die Klinke in die Hand. Designer-Shops, wie das The New Modernist und das Bo Op formieren mit ihren gestylten Auslagen lokaler Künstler einen harten Kontrast zu den Jutesäcken der Atlas Trading Company. Auch wenn Vintage-Klamotten und Detox-Smoothies längst Einzug gehalten haben: Sobald der Lion's Head seinen langen Schatten über das Bo-Kaap wirft, werden die schmiedeeisernen Gitter vor den massiven Türen nochmal extra verriegelt. Gerade die Randzone hinauf zum Signal Hill gilt als sozialer Brennpunkt. Die verwinkelten Gassen mit ihrer schummrigen Straßenbeleuchtung sind dann besser zu meiden.

1950 setzte das neugewählte Apartheid-Regime den »Group Areas Act« in Kraft und das Bo-Kaap wurde der muslimischen Bevölkerung Kapstadts zugeteilt. Andere Religionen und ethnische Gruppen mussten das Viertel verlassen, weitere Kap-Malayen wurden angesiedelt. In den 1960er Jahren und auch später noch war das bunte Viertel immer wieder mal von der Abrissbirne bedroht. Doch angesichts dieser massiven Bedrohung einten sich die Bewohner und formierten stets den nötigen politischen Widerstand, der dem Bo-Kaap immer wieder das Überleben sicherte.

Heute wohnen noch immer rund 70 Prozent Muslime im Viertel, und der Islam prägt nach wie vor den Alltag. Eine Frau mit Nikab, also verschleiert bis auf die Sehschlitze, schreitet mit ihrer Laptop-Tasche und Sneakers durch die Dorp-Street. Mehrere Damen mit Hijab balancieren Süßspeisen auf runden Tabletts und verschwinden in der leuchtend-hellblauen Boorhaanol Moschee der schmalen Longmarket Street. Mit dem schön geschwungen Minarett und dem aufgesetzten Halbmond und Stern wirkt die Moschee wie von einem Zuckerbäcker erschaffen. Herausgeputzte Kinder mit wallenden Kaftans und dem traditionellen Fes als Kopfbedeckung tragen ihre Bücher in die Madrasa, die Koranschule. Männer gehen teils Hand in Hand oder lassen ihre Gebetsketten eifrig durch die Finger gleiten. Besonders am Freitag, dem Tag des Gebets, ist ringsum die sage und schreibe zehn Moscheen des winzigen Bo-Kaap-Viertels mächtig Betrieb.

Ein grandioser Spaß für alle Glaubensrichtungen findet immer am 2. Januar statt. Dann feiert das Viertel traditionell das »Tweede Nuwe Jaar«, also das zweite Neujahr, denn das war der einzige Tag an dem die Sklaven damals frei bekamen. »Früher wurden dann auch die »Bosse« in Schmähgedichten und Liedern verspottet. Deshalb mussten sich die Sklaven aufwändig verkleiden und schminken, um ja nicht erkannt zu werden. Dieser »Coon Carnival« ist heute noch eine riesige Straßenparty mit grellen Verkleidungen und zahlreichen Bands. Dann erstrahlt die von Nelson Mandela beschworene Regenbogennation voller Lebenslust. Vielleicht der beste Tag, um das kunterbunte Bo-Kaap zu besuchen«, erklärt Shireen. »Kommt doch einfach nochmal nach Kapstadt!« zwinkert Shireen in die Runde.

Weitere Informationen

South Africa Tourism, Friedensstr. 6, 60311 Frankfurt, Tel. 0800-1189118, www.dein-suedafrika.de

(07.08.2018, srt)

Mehr Reiseberichte ...
REISE und PREISE aktuelle Ausgabe
AKTUELLES HEFT kaufen
ABO SHOP
Newsletter
E-Paper freischalten

ÜBERSICHT

SHOP | ABO
Einzelheft | Archiv seit 1987