Urlaub mit Risiko Trotz Coronavirus eine Kreuzfahrt buchen?
Kreuzfahrtpassagiere werden im Hafen von Anwohnern mit Steinen beworfen - aus Panik vor dem neuen Coronavirus. So geschehen Anfang März auf der Insel La Réunion bei einem Anlauf der «Sun Princess», wie verschiedene Medien berichteten. Und das war nur einer der bizarreren Fälle.
Die Kreuzfahrt steckt durch die exponentielle Ausbreitung des Coronavirus Sars-Cov-2 in einer tiefen Krise. Einerseits drohen Passagieren eine Ansteckung an Bord und Quarantäne, andererseits werden Schiffe von zahlreichen Häfen in aller Welt abgewiesen und müssen ihre Routen ändern - auch wenn es keine Infektionen an Bord gibt. Das Virus und die Angst davor lassen immer mehr Reisen platzen.
Urlauber, die gerne auf Kreuzfahrt gehen, fragen sich: Kann ich jetzt noch ohne Risiko eine Seereise buchen?
«Im Moment erleben wir eine Abstimmung der Kundschaft mit den Füßen», sagt Detlef Schäferjohann, Geschäftsführer des Buchungsportals E-hoi. Viele Kunden stornierten Kreuzfahrten.
Die erste schlechte Nachricht kam aus Japan: Die dortige Regierung hatte die «Diamond Princess» zwei Wochen lang bis zum 19. Februar in Yokohama unter Quarantäne gestellt - Hunderte Menschen hatten sich mit dem Virus infiziert. In Kalifornien wurde die «Grand Princess» mit 3500 Passagieren wegen mehreren Corona-Infizierten an Bord unter Quarantäne gestellt, das Schiff legte in Oakland an.
Wie hoch ist das Virus-Risiko auf Kreuzfahrtschiffen?
Auf den großen Kreuzfahrtschiffen kommen mehrere Tausende Menschen auf engem Raum zusammen. Der Schiffsmediziner Christian Ottomann verweist hier auf die Absage von Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern in ganz Deutschland - eine Kreuzfahrt ist letztlich nichts anderes. «Die großen Schiffe haben noch mehr Menschen an Bord», betont der Leiter der Schiffsarztbörse.
Auf ein deutsches Schiff etwa von Aida oder Tui Cruises zu gehen, bringe ebenfalls nichts, betont Ottomann. Zum einen gebe es mittlerweile auch zahlreiche Corona-Fälle in Deutschland. Zum anderen komme die Crew des Schiffs trotzdem aus aller Welt. Abstand halten kann Schutz vor einer Infektion bieten, am besten zwei Meter. «Das schafft man auf einem Kreuzfahrtschiff aber nicht», sagt Ottomann.
Aida Cruises etwa verweist auf zusätzliche Hygienemaßnahmen an Bord. Vor der Einschiffungen müssten Passagiere und Crew nun Fragebögen ausfüllen über ihren aktuellen Gesundheitszustand und ihr Reiseverhalten in den vergangenen zwei Wochen. Gäste mit Symptomen würden beim Boarding einem Gesundheitscheck unterzogen.
Risiko: Corona-Infizierte sind lange symptomfrei
Schiffsarzt Ottomann sieht in solchen Maßnahmen allerdings keinen endgültigen Schutz: «Bei Corona habe ich lange keine Symptome, das ist das Heimtückische und der Unterschied zum Norovirus.» Die Inkubationszeit beträgt Experten zufolge bis zu 14 Tage. Deshalb sei auch eine Maßnahme wie das Temperaturmessen bei der Einschiffung «reine Augenwischerei», so Ottomann. Seine Empfehlung lautet: «Menschen über 60 und mit Vorerkrankungen ist derzeit auf jeden Fall von einer Kreuzfahrt abzuraten.»
Zu dieser Einschätzung kommt auch die US-Seuchenschutzbehörde: Sie rät allen Reisenden und besonders jenen mit Gesundheitsproblemen angesichts von Corona generell von Kreuzfahrten ab.
Häfen lassen Schiffe nicht anlegen
Abgesehen vom Gesundheitsrisiko an Bord stehen Kreuzfahrten wegen der Angst vor Corona derzeit vor praktischen Schwierigkeiten. Schiffe werden zunehmend abgewiesen, Reisen müssen abgesagt werden.
«Die verstärkten Einreisekontrollen und Gesundheitsüberprüfungen betreffen insbesondere auch Kreuzfahrtschiffe», informiert das Auswärtige Amt zu Covid-19. «Es ist bereits mehrfach zu Verweigerungen des Anlaufens von Häfen gekommen. Mit Verzögerungen, Routenänderungen und in bestimmten Fällen auch Quarantänemaßnahmen durch lokale Behörden ist weiterhin zu rechnen.»
Die Maßnahmen werden zunehmend drastischer: Malaysia hat unlängst angekündigt, Kreuzfahrtschiffe gar nicht mehr anlegen zu lassen. Dieselbe Maßnahme haben Indien und die Seychellen ergriffen.
Preisminderung bei Routenänderung
Reiserechtlich gelten Änderungen der versprochenen Route als Reisemangel. «Das berichtigt zu einer Preisminderung», erklärt Prof. Ernst Führich, Experte für Reiserecht. Und wenn schon vor der Reise klar sei, dass ein Großteil der Häfen nicht angefahren werden kann, lasse sich der Reisevertrag kostenlos stornieren.
Viele Reedereien zeigen sich derweil bei Neubuchungen großzügig: «Die Reedereien bieten jetzt besondere kulante Umbuchungs- und Stornierungsregeln», sagt Detlef Schäferjohann vom Portal E-hoi. «Man wird jetzt nicht jeden, der jetzt bucht, auch am Ende zur Kreuzfahrt verpflichten.» Das Motto sei «Buchen ohne Risiko».
«Die Preise wurden kurzfristig erheblich reduziert, teils sogar halbiert», sagt der Branchenexperte. Ob das ausreicht, um Urlauber derzeit für eine Kreuzfahrt zu gewinnen, ist mindestens fraglich.
(12.03.2020, dpa)