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Beim Couchsurfen kann man mitunter Freunde fürs Leben finden.

Beim Couchsurfen kann man mitunter Freunde fürs Leben finden.

Foto: Brian Thacker

Couchsurfing Auf fremden Sofas übernachten

Mein Couchsurfing-Trip beginnt mit 30 Absagen und einem Todesfall. In attraktiven Städten ein passendes Angebot zu finden, braucht manchmal mehrere Anläufe.

Einen Schlafplatz in London angeboten haben mir dann Karin und Ian, ein deutsch-irisches Pärchen, das etwas außerhalb wohnt. Karin, eine 28-jährige Hessin, die der Liebe wegen nach London gezogen ist, holt mich an der Busstation ab und erklärt mir zaghaft lächelnd: »Entschuldige, die Stimmung bei uns zu Hause könnte etwas speziell sein. Mein Freund Ian hat gestern seinen besten Freund beerdigt.« Meinen Vorschlag, dann wohl besser in ein Hotel zu ziehen, lehnt sie aber ab. So folge ich ihr durch die Straßen der kleinen Vorstadt. Als sei es das Normalste der Welt, gehen wir – vor einigen Minuten einander noch völlig fremd – erst einmal gemeinsam zum Deli ihres Vertrauens. Die Straße, in der Karin und Ian wohnen, ist typisch englisch: Reihenhäuser aus rotem Backstein, mit viktorianischen Erkern und kleinen Vorgärten. An ihrem Haus hängt ein Schild: »Haunted House«, verwunschenes Haus. Irgendwie finde ich das alles sympathisch. Nur das mit dem Todesfall macht mir zu schaffen. Ian steht am Herd, als Karin und ich das Haus betreten. Er wirkt wahrhaftig traurig, hat glasige Augen und heißt mich dennoch mit einer festen Umarmung willkommen. »Wir sind beide Vegetarier, hoffe, das ist o.k. für dich«, murmelt er und stellt die Musikanlage in der Küche an. Während Karin kocht, höre ich die wohl traurigste Musik meines Lebens: Jim McCann, »Ireland’s greatest Love Songs«. Während des Essens erfahre ich, dass sich meine Gastgeber in Indien kennengelernt haben. Und bekomme Tipps: »Die üblichen Touri-Plätze kennst du ja. Schön ist es zur Zeit rund um Spitalfields Hospital. Das ist eine relativ neue Shopping Area«. Am nächsten Morgen sind Karin und Ian schon zur Arbeit gefahren, als ich auf meiner Couch im Wohnzimmer wach werde. Die Sonne scheint. Ein paar Stunden habe ich Zeit, die Stadt zu entdecken. In der Tube Richtung Flughafen schreibe ich noch eine Danke- SMS an Karin und mache ich mich auf ins neue Abenteuer: Paris!

Paris

Am frühen Abend komme ich in der Seine-Metropole an und werde von meinen neuen Gastgebern schon sehnlichst erwartet. Eine junges Paar, das Couchsurfer beherbergt, weil es seit der Geburt seines Kindes selbst nicht mehr so viel reisen kann. Die Wohnung liegt sehr zentral im vierten Arrondissement – ein Hotel hätte ich mir hier nicht leisten können. Schon im Treppenhaus steigt mir verführerischer Essensduft in die Nase. Marion und Jérôme empfangen mich mit einem duftenden marokkanischen Dattelhuhn. Ich übergebe mein Gastgeschenk – Blumen und Obst – und verliebe mich gleich in den zweijährigen Sohn Esteban. Es ist, als wäre ich bei alten Freunden. Dass sie viel von der Welt gesehen hatten, zeigt sich nicht nur am Essen: An der Wand hängt ein arabischer Gebetsteppich, im Regal stehen indonesische Figuren. Am Ende sitzen wir gemeinsam auf der Couch, schauen uns Hochzeitsfotos an, bis uns die Augen zufallen. Tag drei fängt für mich großartig an: In der Küche steht ein Tablett mit frischen Croissants und Kaffee! Dabei liegt ein sehr netter Zettel. Ich hatte Marion erzählt, dass ich eine Vintage-Tasche eines bestimmten Designers suche. Daraufhin hat sie einige Second-Hand-Läden für mich rausgesucht. Ich schlendere durch das Marais-Viertel und entdecke ein Plakat für ein Konzert des algerischen Raï-Sängers Khaled. Abends sitzen Marion und ich dann gemeinsam im Cirque d’hiver Bouglione, einem alten Zirkusgebäude im 11. Arrondissement. In der Manege steht unser Star in einem Glitzersakko, in den Rängen sitzen alte Frauen aus dem Maghreb, junge Migrantenkinder und auch die gutbetuchte Bourgeoisie. Marion und ich schauen uns immer wieder lachend an und können es nicht fassen: Eigentlich kennen wir uns doch gar nicht. Trotzdem sind wir uns in diesem Augenblick so nah. Der Abschied fällt mir am nächsten Tag sehr schwer, aber wir verabreden uns für kommenden Sommer.

Barcelona

Meine Gastgeberinnen in Barcelona sind drei Architekturstudentinnen. Von ihrem Couchsurfing-Profil her erwarte ich drei Hippie-Mädels, unkonventionell und feierlustig. Doch in der herrschaftlichen Wohnung aus der Jahrhundertwende geht es unerwartet stilvoll zu. Ich werde mittags von Clara empfangen. Die trägt zwar blonde Dreadlocks und bunte Klamotten, doch hier wird Wert gelegt auf Tischkultur: Der Tisch wird mit Stofftischdecke und -servietten gedeckt, es gibt extra Teller für die Vorspeise, Wasser aus einer Karaffe. In Barcelona war ich noch nie und so bin ich überglücklich, dass Clara mir Tipps gibt, was ich mir anschauen soll: eines der Gaudi-Häuser, die Ramblas – wenn ich denn unbedingt möchte – lieber bei Tag. Als ich erschöpftvon meiner Entdeckungstour zurückkomme, warten die Mädels schon mit dem Essen auf mich. Ich werde begrüßt wie eine langjährige Freundin. Ich kann diese Herzlichkeit kaum fassen, wir versuchen uns mit gebrochenem Englisch, Französischfetzen und viel Zeichensprache zu verständigen. Die Neugier ist auf beiden Seiten groß. Ich lerne viel über das katalanische Selbstverständnis. Zur Nacht legt man mir eine Matratze ins Zimmer von Clara und Sara. Am nächsten Morgen bekomme ich von Clara eine Fahrrad-Leihkarte in die Hand gedrückt. Damit kann ich mir in ganz Barcelona kostenlos ein Fahrrad ausleihen und es an den in der Stadt verteilten Stationen wieder abgeben. Großartig! Als normaler Tourist hätte ich die Karte nicht bekommen. Mit dem Rad erkunde ich zwei Tage lang die Stadt. Am letzten Abend möchte ich mich für die Gastfreundschaft mit einem Essen revanchieren, aber nein – meine Mädels haben ein großes Essen mit ihren Freunden organisiert. Eins steht für mich am Ende fest: Das war nicht meine letzte Couchsurfing-Reise!

Wie funktioniert Couchsurfing?

Ausgangspunkt für Gastgeber und potenzielle Gäste sind Internetportale wie Couchsurfing.org, Hospitalityclub.org und belodged.com. Wer mitmachen möchte, muss sich dort online registrieren. Gastgeber bieten kostenlos eine Übernachtungsmöglichkeit an oder auch lediglich einen Einblick in den Ort, in dem sie leben. Als Gast kann man per Mail alle anderen Nutzer des Portals nach einem Schlafplatz oder auch nur einem Treffen auf einen Kaffee fragen. Bei Couchsurfing.com bewerten sich Gast und Gastgeber nach dem Aufenthalt gegenseitig im Portal. Diese für alle Nutzer einsehbaren Bewertungen dienen als Orientierungshilfe beim Aussuchen eines möglichen Gastgebers. Das Portal Couchsurfing.org bzw.Couchsurfing.com hat rund 2,5 Millionen Nutzer aus 245 Ländern, die meisten aus Europa und Nordamerika. Im Schnitt sind die Reisenden 28 Jahre alt. Das Feedback ist bis jetzt überwiegend positiv. In puncto Sicherheit übernehmen die Portale keine Gewähr. Bei Couchsurfing.org gibt es bspw. Verified Member, das sind Nutzer, die die Echtheit ihrer Adressangaben haben checken lassen. Beim Hospitality Club muss bei der Kontaktaufnahme die Passnummer angegeben werden.

(20.07.11, Hindia Kiflai)
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