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Desiderio Monni kennt die feinen Unterschiede der sardischen Käsesorten.

Desiderio Monni kennt die feinen Unterschiede der sardischen Käsesorten. Foto: Florian Sanktjohanser/dpa-tmn

Cagliari kulinarisch Sardinien kann mehr als nur primitive Kost

Sardiniens Küche ist einfach und rustikal, eine Küche der Hirten und Bauern. In der Inselhauptstadt Cagliari aber interpretieren junge Köche die Hausmannskost auf raffinierte Weise neu.

Fast jeder, der nach Sardinien reist, hat vom kulinarischen Mythos der Insel gehört: dem Casu Marzu. Seit 2005 darf der Madenkäse in der EU nicht mehr verkauft werden - aus nachvollziehbaren hygienischen Gründen. Denn damit der reife Pecorino so cremig und würzig wird, muss die Käsefliege ihre Eier hinein legen. Die daraus schlüpfenden Maden verdauen den Käse teilweise und lassen ihn gären.

«Willst du ihn sehen?», fragt Desiderio Monni unvermittelt. Den Casu Marzu? Monni nickt und lächelt verschwörerisch. Der 36-Jährige ist Käseverkäufer im Mercato di San Benedetto, der berühmten Markthalle im Zentrum Cagliaris. Er wartet, bis kein Kunde an seinem Stand steht. Dann winkt er und holt eine Plastiktüte unter der Theke hervor. Der Inhalt riecht streng, dabei sei der Laib noch jung, erklärt Monni. Er drückt ein Loch in die weiche Rinde. «Oh», sagt er enttäuscht, «noch kaum Maden.»

Sardiniens kulinarische Kathedrale

Kein Problem, zum Glück gibt es noch mehr zu sehen in den heiligen Hallen des Mercato di San Benedetto. Auf zwei Etagen ist hier alles aufgetürmt, was Sardinien Gourmets zu bieten hat.

Im Erdgeschoss liegen auf Marmortischen im Eisbett tiefrote Thunfischbrocken, kunstvoll aufgefächerte Venusmuscheln und Netze voller Miesmuscheln sowie Garnelen, Kabeljaus und Makrelen. Ein Verkäufer hält einen Hummer hoch, der erschrocken mit den zusammen gebundenen Scheren fuchtelt. Im Stockwerk darüber sind manche Händler kaum zu sehen hinter den Bergen von Auberginen und Tomaten, Melonen und Kaktusfeigen.

Sterne-Variationen bei Cagliaris feinstem Korsaren

Sardiniens traditionelle Küche ist rustikal, bei den Hirten und Bauern kamen vor allem Fleisch und Brot auf den Teller. Doch in Cagliari gibt es längst leichte, moderne, hochklassige Variationen dank Köchen wie Stefano Deidda. Deiddas Großvater eröffnete 1965 das Restaurant «Dal Corsaro» und erkochte einen Stern. 2016 eroberte ihn der Enkel zurück.

Das Sterne-Menü wird im Gewölbe des «Dal Corsaro» serviert. Schon der erste von sieben Gängen ist ein Augenschmaus. Die Auster in Zucchini-Minz-Creme und die Hühnchenleber, mit Steinpilzen zu einem braunen Bällchen gerollt, werden auf Muscheln und schwarzen Steinen in einer Holzschatulle serviert.

Eine Hommage an die Tradition ist die flambierte Meeräsche in einem grünen Bett aus Bohnenmus. Sie ist mit Schnitzen von Bottarga bestreut, den getrockneten, gepressten und geräucherten Rogen der Meeräsche. In der Markthalle gibt es sie als eingeschweißte Würste zu kaufen, für bis zu 200 Euro pro Kilo. Die Bottarga ist zäh, klebt an den Zähnen und schmeckt penetrant fischig. Aber zusammen mit der zarten Meeräsche und der zwiebeligen Schärfe des Schnittlauchs entfaltet sie ein Feuerwerk an Meeresgeschmäckern.

Die Inseltropfen mausern sich

Auch die Weine Sardiniens galten lange als eher rustikal und schwer. «Aber in den vergangenen 25 Jahren ist die Qualität der sardischen Weine deutlich besser geworden», sagt Filippo Mundula, 45, der die Weinbar Oyster führt. Entscheidend war, dass herausragende Önologen wie Giacomo Tachis nach Sardinien kamen und innovative Techniken aus dem Piemont oder der Toskana mitbrachten.

Der berühmteste Tropfen der Insel ist ein Rotwein. «Der Cannonau repräsentiert Sardinien am besten», sagt Mundula. Denn jede Region der Insel habe ihren eigenen Cannonau mit einem bestimmten Charakter, der Boden und Klima spiegelt.

Mundulas Vinothek liegt in Marina. Das frühere Quartier der Fischer ist heute das Ausgehviertel der Stadt. Abends sind seine verwinkelten Gassen ein einziges großes Freiluft-Restaurant. Stehlämpchen auf den Tischen zaubern eine noble Atmosphäre.

Hier hat sich auch Pierluigi Fais niedergelassen. Der Spitzenkoch zog vor einigen Jahren nach Cagliari und eröffnete zunächst eine Pizzeria namens «Framento». Natürlich gab sich Fais nicht mit gewöhnlicher Pizza zufrieden. Er experimentierte zu Hause und fand schließlich seinen besonderen, sardischen Dreh.

Sauerteig ist das Geheimnis der besten Pizza Sardiniens

«Framento bedeutet auf Sardisch Sauerteig», erklärt Fais. Aus ihm knetet er seinen Pizzaboden. Das Emmermehl und der Hartweizengrieß sind natürlich bio. Und auf die Pizza kommen nur lokale Zutaten - außer dem Wildlachs, den er gelegentlich verwendet.

Pizza mit Sauerteig zu machen sei schwierig, sagt Fais. Für eine gleichbleibende Qualität müssen Backzeit und Temperatur exakt stimmen. Und die Pizza muss zwei Mal gebacken werden, denn allein der Boden braucht vier Minuten - und der Mozzarella darf nicht zu lange in der Gluthitze des Holzofens stehen.

Der Aufwand lohnt sich. An der Wand hängen - neben einem alten Tandemrad, umwickelt mit Lichterketten - die gerahmten Urkunden aller Auszeichnungen. 2017 verlieh der Feinschmecker-Verlag Gambero Rosso dem «Framento» die Bestnote von drei Pizzastücken - als einziger Pizzeria auf der Insel.

Omas Klassiker in raffiniertem Gewand

Mittlerweile ist Fais eine wichtige Figur in Cagliaris Gastroszene. Ein paar Häuser neben seiner Pizzeria betreibt er das «Etto», das tagsüber Metzgerei und mittags und abends Restaurant ist. Und im alten Lagerhaus eines Sägewerkes kocht Fais abends live gehobene Küche. «Josto» heißt dieses neue Flaggschiff Fais'.

«Wir experimentieren hier mit der Küche unserer Großeltern», sagt Fais. «Das Ziel ist, die Rezepte mit neuen Geschmäckern umzubauen.» Seine Spaghetti mit Bottarga - ein sardischer Klassiker - sind dick wie Regenwürmer, die Rogen bindet Fais mit Wasser und Olivenöl in eine feine Creme ein. «Eine Emulsion wie bei Mayonnaise», erklärt er. «Rogen sind ja auch Eier.» Klingt ein bisschen nach Casu Marzu. Schmeckt aber deutlich feiner - so wie alles in der neuen sardischen Küche.

Anreise: Direktflüge nach Cagliari gibt es aus mehreren deutschen Städten.

Einreise und Corona-Lage: Italien ist derzeit als Hochrisikogebiet eingestuft. Wer nach Italien einreisen möchte, muss ein negatives Testergebnis vorweisen. Ein PCR-Test darf dabei nicht älter als 48 Stunden sein, ein Antigentest nicht älter als 24 Stunden. Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss nach Einreise in fünftägige Quarantäne, die örtliche Gesundheitsbehörde informieren und sich nach Ablauf der Quarantäne erneut einem Test unterziehen. Geimpfte und Genesene sind von dieser Pflicht befreit. (Stand 25. Januar 2022)

Reisezeit: Im Frühling und Herbst sind die Temperaturen am angenehmsten. Der Sommer ist heiß.

Info-Adresse: Italienische Zentrale für Tourismus, Schaumainkai 87, 60596 Frankfurt am Main (E-Mail: , Web: www.enit.de)

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