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Wenige Menschen stehen an der Spanischen Treppe in Rom

Wenige Menschen stehen an der Spanischen Treppe in Rom

Städtereise Rom Die Ewige Stadt muss sich neu erfinden

Rom im Corona-Sommer 2020 sei wunderbar, sagen die einen. Andere sprechen von einer »Katastrophe«. Italiens Hauptstadt fast ohne ausländische Touristen lässt keinen kalt.

Morgens um halb zehn öffnet ein Mitarbeiter die Metalltore der Touristeninformation am Kolosseum. Die Sonne scheint - geniales Wetter für eine Erkundungstour durch antike Stätten in Rom, zu Brunnen und Treppen im Zentrum der italienischen Hauptstadt.

Doch der Platz vor dem Info-Büro ist fast leer. Genau wie die Straße, die zum Amphitheater der alten Römer führt. »Rom ist derzeit wunderbar - wunderbar leer«, sagt Oliver Kraushaar. Der Berliner Schauspieler ist einer der wenigen Urlauber, die in der Stadt mit 2,8 Millionen Einwohnern unterwegs sind.

Die Corona-Pandemie hat den halben Globus verändert, und damit auch Rom als eines der beliebtesten Stadtreiseziele. Besucher und Einheimische können Straßen und Plätze erleben, die an Schwarzweiß-Fotos aus den 50er Jahren erinnern. Der Lockdown ist zwar längst vorbei, seit 3. Juni ist Italien offen für EU-Bürger. Doch das Zeitalter des Massentourismus, das 2019 fast 20 Millionen Gäste anzog, scheint Lichtjahre entfernt.

Kraushaar, Sonnenbrille im Haar, den Rucksack umgehängt, ist mit seiner Frau, dem neunjährigen Sohn und der sechsjährigen Tochter angereist. »Die Hotels sind gerade viel günstiger als normal«, freut sich der Darsteller vom Berliner Ensemble, der auch schon im »Tatort« mitgespielt hat. Diese Phase sei eine Chance. Sie könnten mit den Kindern eintauchen in Kunst und Geschichte: Im Vatikan seien sie gewesen, Karten für das archäologische Tempelareal, das Forum Romanum, seien vorbestellt. »Natürlich achten wir auf Corona-Schutz«, sagt Kraushaar.

Die Berliner Familie ist ein typisches Beispiel für die neuen Rom-Touristen: Man sieht Familien mit Kindern, darunter viele Italiener. Junge Leute, Entdeckertypen in kleinen Gruppen, überqueren den beliebten Treffpunkt Campo de' Fiori. Verschwunden sind die Bustouristen, Seniorengruppen mit Reiseführer sowie ein Großteil der zahlungskräftigen Asiaten und Amerikaner.

Die Heftigkeit, mit der Italien von der Virus-Welle getroffen wurde, steckt tief in den Köpfen von Reisewilligen. Deutsche zieht es an die eigenen Küsten oder nach Bayern. »Das ist ein psychologisches Problem«, heißt es in der Stadtverwaltung. Obwohl die Gesundheitslage in Rom nie kritisch war und die Infektionszahlen in dem Mittelmeerland insgesamt Mitte Juli oft unter den deutschen liegen, springt der Tourismus nicht an. Für Chinesen, Japaner, Amerikaner und viele andere gilt ohnehin weiter eine zweiwöchige Quarantäne.

Deshalb findet man am Trevibrunnen sofort einen Platz ganz vorne, mit bester Sicht auf das Wasserspiel aus dem 18. Jahrhundert. Auf der Spanischen Treppe pfeift ein Polizist mit der Trillerpfeife einen jungen Mann an, der sich dort entspannt ausruht. Die Stadt hat das Sitzen auf den Marmorstufen 2019 verboten, um des Ansturms und des Mülls Herr zu werden. Irgendwie klingt der Pfeifton ein Jahr später fehl am Platz.

Auf dem Weg zum Pantheon mit seiner imposanten Kuppel, zur Piazza Navona und zum Petersdom durchquert man die Einkaufsmeile. Egal ob Läden Ramsch-Mode oder teure Designerware verkaufen: Schilder signalisieren in vielen Geschäften Rabatte bis zu 70 Prozent. Selbst neuste Kollektionen sind leicht reduziert. Leere, aufgegebene Geschäfte zeugen von Problemen. Den Lärm der U-Bahn-Großbaustelle an der Piazza Venezia galt es schon immer zu meiden.

In Italien steuert der Tourismus rund 13 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Vor diesem Hintergrund wirkt der Einbruch in Rom noch drastischer: Die Statistiker zählten im Juni 2020 nur rund 6.300 Ankünfte von Ausländern in Hotels und Pensionen - etwa ein Viertel davon aus Deutschland. Ein Jahr zuvor hatten mehr als 773.000 Menschen im Juni in Rom übernachtet - minus 99 Prozent. »Aktuell sind überhaupt nur rund 200 von 1.200 Hotels offen«, sagt ein Sprecher des Hotelverbands Federalberghi Rom über den Juli.

Die Piazza Navona ist von Restaurants und Bars eingefasst. Ein Großteil hat sich auf Ausländer fokussiert. Lieblose Touristen-Menüs in manchen Lokalen schrecken Römer ab. Jetzt stehen Kellner wartend vor leeren Tischen, die Hände auf dem Rücken oder am Handy.

»Es ist eine Katastrophe«, sagt Marco, der im kleinen »La Locanda Romana« in einer Seitenstraße kellnert. »Die Piazza ist leer. Es kommen keine Ausländer. Wir wissen nicht, was wir tun sollen.«

Erste Wirte an dem von barocker Baukunst geprägten Platz richten ihr Angebot neu aus: Sie wollen für die Ortsansässigen interessant werden. »Wir bieten einen Spritz für 3,50 Euro mit einem Mini-Hamburger für 6 Euro«, erläutert Filippo De Sanctis vom Traditionslokal »Camillo« in der Zeitung »Corriere della Sera«. Im Netz wirbt das Familienrestaurant mit dem Motto »Piazza Navona für die Römer«.

Bürgermeisterin Virginia Raggi von der Fünf-Sterne-Bewegung kündigte ebenfalls an, der Tourismus müsse mehr darauf abzielen, dass Römer und Italiener »die Wunder Roms wiederentdecken« könnten. Das alte Rom brauche eine Strategie für einen neuen »Qualitätstourismus«. Allerdings wissen die Stadtoberen, dass Familien wie die Kraushaars und Inlandstouristen alleine die Krise nicht stoppen werden - dafür dürften noch viel italienische Fantasie und neue Ideen nötig sein.

(27.07.2020, dpa)

 
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